In Kemnath gab es kürzlich eine Veranstaltung, bei der Kommunalpolitiker bekräftigten, dass sie angesichts der „Lauterbachschen“ Pläne für die Erhaltung ihres Krankenhauses eintreten wollen. Solche Schutzpatrone“ hat das Krankenhaus Selb anscheinend nicht.
In den letzten zwei Wochen hat die Zeitung ausführlich berichtet, was nun aus dem Krankenhaus Selb werden soll. – Ob man es regional sieht im Fichtelgebirge oder bundesweit, die Krankenhäuser sind infolge einer seit über 20 Jahren
verfehlten Gesundheitspolitik immer mehr in finanzielle Not geraten.
Dazu gehört, das in unserem Gesundheitswesen schon länger Dilettanten alles gestalten und den sprichwörtlichen „Karren“ in den Morast gefahren haben. So wurden z.B. seit 1990 in Deutschland 9.000 medizinische Studienplätze abgebaut. Erst seit etwa vier Jahren versucht man wieder gegenzusteuern. Nicht wenige Deutsche studieren heute in Österreich, Polen oder auf dem Balkan. Seit den 90er Jahren folgt man in Deutschland dem Wahn, das Gesundheitswesen müsse wirtschaftlich arbeiten. Warum
ausgerechnet das Gesundheitswesen? Von Polizei, Justiz und Schulen verlangt man das nicht. Man setzte auf Bettenabbau, Liegezeitverkürzung, ambulante Behandlung und ein kompliziertes Abrechnungssystem (DRG), mit dem die Krankenkassen die Kliniken schikanieren können. Dazu kamen Lehrstühle für Gesundheitsökonomie: der Wirtschaftsgedanke auch noch
wissenschaftlich verbrämt. Es konnte passieren, dass ein Patient morgens entlassen und abends schon wieder stationär aufgenommen wurde. Der individuelle Krankheitsverlauf trat in den Hintergrund. Im Gegensatz zur Medizingeschichte galten Krankenhäuser fortan als Wirtschaftsbetriebe. Innerhalb von drei Jahrzehnten hat sich diese Vorstellung auch im Kopf des Bürgers verfestigt. Der Bürger sollte sich dagegen bewusst werden,
das er monatlich einen Krankenkassenbeitrag leistet!
Im Medizinbetrieb ist gleichzeitig noch mehr Unkraut gewachsen, aber darauf einzugehen wäre nicht zielführend, ohne ein Krankenhaus wie das unsere und die gestaltenden Kräfte einmal näher betrachtet zu haben. Aus den einstigen Stadtkrankenhäusern schuf man zu Beginn des neuen Jahrtausends auf Kreisebene die „Klinikum Fichtelgebirge gGmbH“ mit einem Geschäftsführer und einem Aufsichtsrat, der sich aus Kreistagsmitgliedern der verschiedenen Parteien zusammensetzte. Auch der ärztliche Kreisverband und der Betriebsrat waren vertreten. Den Vorsitz
führte der Landrat. Alle waren guten Willens, aber eine Schwäche des Gremiums ist bis heute geblieben: die Neigung der Kommunalpolitik zur Einstimmigkeit in Verbindung mit Kritiklosigkeit. Um die Fakten und Probleme im einzelnen aufzuführen, bräuchte es viel Raum, der sich im vorliegenden Rahmen nicht bietet. Erwähnt werden sollten jedenfalls die
Jahre von 2008 bis 2020, in denen der Landrat über die klinische
Entwicklung und den Geschäftsführer immer seine schützende Hand hielt.
Marktredwitz hatte in den Nuller-Jahren ca. 330 Betten. Es wurden Betten abgebaut, um in den Vorzug von Prämien zu kommen. Schon damals gab es Defizite. 2008 kursierte das Argument: „wir können Selb nicht schließen, sonst sind wir gezwungen, die Zuschüsse zurückzuzahlen.“ Ersatzweise sollte für die abgebauten Betten die stationäre Behandlung in Selb gestärkt werden. Zuletzt noch 2021 durch die Einrichtung der Abteilung „Akutgeriatrie“, deren motivierte Leiterin man jetzt nur bedauern kann. Noch im August warb man mit einem „Tag der offenen Tür“.
Allein auf Grund der Architektur sind im Augenblick in Marktredwitz
weitere Betten nicht möglich. Beschönigung erübrigt sich. Aber wer wird zur Verantwortung gezogen, nachdem der Aufsichtsrat jedem Schritt zugestimmt hat?
In Selb hat man nach Abriss des alten Krankenhauses Stück um Stück ein neues gebaut, das nun künftig zum großen Teil leer stehen soll. In das Projekt flossen Steuergelder. Es entstand ein Gebäudekomplex, dessen materiellen Wert man unter einiger Zurückhaltung als „Volksvermögen“ bezeichnen könnte. „Volk“ ist im Augenblick nicht mehr „en vogue“, auch wenn es immer noch „Volksmusik“ und „Volksverhetzung“ gibt. Politiker sprechen lieber von „Sondervermögen“, wo es um Milliarden geht. Aber die lächerlichen Millionen in Selb? – Es wird doch auch die Höhenklinik in Bischofsgrün geschlossen! Das Bayerische Sozialministerium hat leider zugestimmt. Flossen nicht auch ins ALEXBAD Steuermittel? – Sicher ist, das im Haus Selb künftig noch Heizung, Strom und Wasser benötigt werden. Was wird mit dem Computertomographen?
Landrat Berek wies darauf hin, das bei der jüngsten Entscheidung auch ärztlicher Sachverstand mitgewirkt habe. Das macht gewiss Eindruck, und die Politiker fühlen sich entlastet. Die zuletzt im Sinne einer wohnortnahen Behandlung eingerichtete „Akutgeriatrie“ fand vor der wirtschaftlichen Beurteilung keine Gnade. Doch in diese Waagschale gehört noch mehr. Hatte man nicht erst noch unter „Corona“ die Wichtigkeit der kleinen Krankenhäuser beschworen? Gerade die Möglichkeit, eine größere Anzahl infektiöser Patienten zu behandeln, wird sich in Marktredwitz schnell erschöpfen. War es nicht außerdem schon vor „Corona“ gängige Praxis, bei Bettennot in Marktredwitz bereits stationäre Patienten nach Selb zu verlegen, sogar in der zweiten Nachthälfte. Auch in umgekehrter Richtung konnte man Verzahnung beobachten. So wurde z.B. am 26. August ein intensivpflichtiger Patient unter Notarztbegleitung von Selb nach Marktredwitz verlegt, weil in Selb alle Intensivbetten belegt waren. Man hätte ihn auch nach Hof bringen können, um unabsichtlich zu demonstrieren, wie man ein Klinikum auch von
innen austrocknen kann. Der Hintersinn ist hoffentlich verständlich.
Überflüssig war das Haus Selb jedenfalls nicht. Die Stadt fühlte sich
mit ihrem Krankenhaus verbunden. Was man heute von gewisser Seite als Verlust an Tradition und Werten beklagt, wird von eben der selben Seite im Ablauf unterstützt. Mit dem Begriff „Sachzwänge“ ist man schnell zur Hand. Hatte man sich in Selb um die Jahrtausendwende noch zu einer Investition entschlossen, sieht man heute eine Belastung darin, was ein Segen sein sollte. Die Auseinandersetzung hat weniger mit Lokalpatriotismus zu tun, sie ist eher ein Beispiel dafür, wie Politik heute Pervertierung immer weniger wahrnimmt. Es ist nicht zu leugnen, das die technische Entwicklung auch die Medizin und deren Einrichtungen
erfasst und dabei auch verteuert hat. Dennoch stellt sich die Frage, ob in einem hochzivilisierten und wirtschaftlich starken Staat, der in
vielen Bereichen und auch international Geld verschleudert, dieses Geld nicht besser im Gesundheitswesen ausgegeben werden sollte.
Man darf gespannt sein, wie sich das neue Konzept des „Campus“ in Selb bewähren wird. Wird es aus rationellen Gründen auch operationsfreie Tage geben? Was wird die nächste Stufe sein? Das Klinikum präsentiert sich aus der Sicht der Kommunalpolitiker als Unternehmen oder Firma, und in den Stellungnahmen tauchen tatsächlich die Begriffe „Markt“ und
„Angebot“ auf. Solche Vorstellungen kann man sicher bei einer Kurklinik anwenden, bei einer akuten Erkrankung oder Verletzung dagegen erwartet man Hilfe in nächster Nähe. Das könnte für Patienten aus dem Raum Selb/Schönwald auch Hof sein. Das Klinikum Fichtelgebirge ist im Augenblick in seinem Bestand gefährdet. Da mutet es heute grotesk an, wenn man vor einigen Jahren noch von einem „Lehrkrankenhaus“ fabulierte.
Um das „Traumazentrum“ ist es still geworden, jetzt also ein „Prosit“
auf den „Campus“.
Laut Zeitung sagte Landrat Berek: „Selbst Blinddarmoperationen und ähnliche Eingriffe würden heute ambulant angeboten.“ – Da kann man nur antworten: Eine Blinddarmoperation ist kein Nägel schneiden. Kann ein solches Angebot letztlich verantwortungsvoll sein? – Die Vorstellung vom Gesundheitsmarkt schlägt hier voll durch, aber Herr Landrat steht hier eher repräsentativ mit seiner Meinung. Wird ein Patient, der wegen eines akuten Blinddarms „auf den Tisch“ muss, sich erst landesweit informieren, wo man das um 17 Uhr vielleicht ambulant macht? – Man wird ihn stationär
in Marktredwitz versorgen! Die kommunalen Entscheider haben vermutlich irgendwelche Industrie-Vorstellungen, wenn man liest: „Bis zu 70 Prozent der gesamten Ambulanz-Angebote, die es heute in Marktredwitz gibt, werden künftig in Selb dargestellt.“ Ferner: „Die Strukturveränderung ermögliche in Selb eine gesunde Entwicklung samt der Option, im ambulanten OP-Zentrum auch tschechische Bürger zu behandeln“ ….. als ob das bisher nicht möglich war. Eine frische Fraktur allerdings wird
man wohl nach Marktredwitz oder Hof bringen.
In den letzten Jahren hat man „Geschwurbel“ regelmäßig den Gegnern der Corona-„Schutzimpfung“ unterstellt. Was man aber auf drei Zeitungsseiten an Politiker-Aussagen zum Krankenhaus Selb findet, darf man zumindest als „Phrasen“ bezeichnen, wobei die Akteure vielleicht tatsächlich vom Sinn ihrer Aussagen überzeugt sind. Da gibt es einiges zu goutieren.
Das Merkelsche „alternativlos“ wird immer noch gebraucht. Das Haus Selb soll ein „Leuchtturm im Wachstumsmarkt für ambulante Operationen werden“. „Dieser Schritt soll die Verfügbarkeit hoch qualifizierter medizinischer Expertise vor Ort sicherstellen.“ – War das bisher nicht gewährleistet und warum? Wer mag sich diesen köstlichen Unsinn ausgedacht haben? – Jetzt gelte es „Profil zu gewinnen.“ – Wie war es damit bisher? – Man verspricht „extrem transparent“ vorzugehen. Ein Hohn, wenn man die Vergangenheit kennt.
Erfreulicherweise hat die Zeitung eine Bürgermeinung abgedruckt:
„Ambulant muss man nicht nach Selb, da kann man auch in eine
Spezialklinik. Die gleiche Milchmädchenrechnung hatten wir schon vor ein paar Jahren mit Schließung der Entbindungsstation.“
Die jüngste Entscheidung fiel gerade auch mit Blick auf die geplante Krankenhausreform. Man müsse sich schon jetzt den Bestimmungen anpassen. – Ein Herr Aiwanger hat dagegen der Bedrohung durch das Heizungsgesetz in Erding bleibende Worte entgegen gehalten, die die Freien Wähler im Landkreis vermutlich noch nicht verinnerlicht haben. Angesichts einer inzwischen nicht mehr stabilen Bundesregierung ist es nicht mehr auszuschließen, das nach einer Regierungskrise in Berlin oder nach Neuwahlen das Lauterbach-Programm verschwindet. Eine neue Regierung
könnte die Nöte der Krankenhäuser dann anders lösen. Aber was kann man von devoten Kommunalpolitikern erwarten, die immer nur „Vollzieher“ sind? Peter Berek ist ohnehin nicht der Typ, der nach Berlin fährt, um dort eine Wagenladung Mist abzukippen.
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